Die Medienbranche war ein erster Showcase für die digitale Transformation eines ganzen Business Ecosystems. Nach wie vor zeigen die Entwicklungen in den Medien heute schon auf, wie die innere Logik der Digitalisierung andere Märkte formen wird. Die Kooperation des chinesischen Tech-Giganten Tencent mit den britischen KI- und Product Placement Experten von Mirriad zeigt, wo die Reise beim Geldverdienen in den Medien hingeht. Die Streamingdienste haben die Daten über das Kaufverhalten und die bevorzugten Marken der User und sie nutzen dieses Wissen, um das Product-Placement auf eine neue Stufe zu heben: Von der Personalisierung zur Hyper-Relevanz und die patentierten Technologien bieten den Schlüssel dazu.

Aktuell kämpft eine ganze Reihe von Streaming-Anbietern um die Gunst der Konsumenten. Das sind neben den Pionieren der Branche wie Netflix und Amazon Prime in den USA auch Disney+, HBO Max, AppleTV Plus und Peacock. In China ist die am schnellsten wachsende Streaming-Plattform iQiyi von Baidu – auch als das Neflix von China in der Szene bekannt. Zusammen mit Alibaba und Tencent haben diese drei Konzern, gemeinsam als „BATs“ bezeichnet, praktisch jede Internetaktivität der Chinesen auf ihren Servern, einschließlich des Streamens von Videodateien. Die Plattformlogik zwingt die Mitspieler schnell eine möglichst marktbeherrschende Größe zu erreichen – man darf durchaus von einem „Streaming-Krieg“ sprechen. Genau hier kommt die Frage nach den Geschäftsmodellen, der Finanzierung und der Patentpositionen in diesem globalen Wettrennen auf.

Allein aus Abogebühren lassen sich die ständig steigenden Produktionskosten für die Inhalte nicht finanzieren. Klassische Werbung verbietet sich, da deren Absenz eines der Grundversprechen der Streamingdienste ist. So kommt man auf das Konzept des KI-basierten digitalen Product-Placement. Product-Placement ist als Werbekonzept nichts Neues. Man hat sich schon daran gewöhnt, dass James Bond seit „Dr. No“ von 1962 einen Aston Martin fährt und seine Uhr aus der Manufaktur von Omega stammt und in „Skyfall“ trinkt er Heineken. 1985 konnte man mit Michael J. Fox alias Marty McFly in „Zurück in die Zukunft“ Nike-Turnschuhe aus dem Jahr 2015 ohne Schnürsenkel entdecken und mit ihm beruhigt sein, dass es in der Zukunft immer noch Pepsi geben wird. Der Verkauf von Ray Ban Sonnenbrillen ist den sieben Monaten nach dem Filmstart des Kampfpilotendramas „Top Gun“ um 40% gestiegen.

Doch herkömmliche Produktplatzierung ist sehr aufwändig und benötigt enorm lange Vorlaufzeiten. Zwischen Dreh und Ausstrahlung können 15 bis 18 Monate liegen, für manche High-Tech-Produkte wie Mobiltelefone eine inakzeptabel lange Zeit. Auch muss das Produkt schon in einem frühen Stadium der Produktionsplanung eingebunden werden und damit müssen Marketingbudgets eineinhalb Jahre im Voraus festgelegt werden – kaum ein Markenartikler ist dazu heute noch bereit. Außerdem ist der Werbekunde beim realen Product-Placement von den Menschen am Set, der Kameraführung, der Laune des Regisseurs und dem Filmschnitt abhängig – für manche Marketingmanager ein nicht hinnehmbarer Kontrollverlust.

 

Bei digitalem Product-Placement wird die Produktplatzierung nachträglich mit digitaler Technologie in den Rahmeninhalt eingefügt. Das hat im Vergleich zur alten Methode viele Vorteile:

  • Die Einbindung des Placements kann ohne den üblichen Zeit- und Organisationsdruck erfolgen, da das Produkt nicht direkt am Set integriert wird und die Einbindung nicht mit den üblichen Filmprozessen synchronisiert werden muss.
  • Der künstlerische Schaffungsprozess wird nicht gestört. Der Regisseur und die Schauspieler müssen sich bei der eigentlichen Produktion nicht auf das Produkt einstellen und können sich voll und ganz dem Film widmen.
  • Die Produktplatzierung kann im Detail ausgesteuert werden. Während die Ausgestaltung des Placements im klassischen Fall von vielen Personen beeinflusst wird und vorab selten perfekt planbar ist, hat man bei einer nachträglichen Bearbeitung alle Fäden in der Hand.
  • Die Produktplatzierung kann jederzeit wieder entfernt, aktualisiert und individualisiert werden, analog dem heutigen Suchmaschinenmarketing.

Dieser letzte Punkt ist für die Streaming-Anbieter von besonderer Bedeutung. Denn das eigentliche Datenmaterial bleibt in ihren Händen, der Kunde sieht nur einen aktuellen Datenstrom. Das heißt, dass das digitale Product-Placement nicht nur individualisiert, sondern auch jederzeit nach gewünschter Relevanz angepasst werden kann. Ebenso könnten Produktgenerationen aktualisiert und neue Markenlogos integriert werden. Darüber hinaus kann digitales Product-Placement auch die Grenze des Bildschirms überwinden. So hat der Autohersteller Lancia eine Technologie entwickelt, mit der ein für Menschen nicht hörbarer Ton immer dann gesendet wird, wenn ein digitales Product-Placement seiner Fahrzeuge auf dem Screen erscheint, wie hier die nachträglich eingearbeitete Werbetafel im Bild. Mithilfe der Lancia InteracTV app, die von der Agentur Armando Testa gemeinsam mit Mirriad entwickelt wurde, können Fans der Marke immer dann spezielle Werbeangebote über ihr Handy empfangen, wenn sie das Placement in einer TV-Show oder in einem Film sehen, in denen der nicht wahrnehmbare Ton gesendet und vom Mobiltelefon analysiert wird.

KI-Technologie kommt dabei an verschiedenen Stellen zum Einsatz. Es geht nicht nur darum, die visuelle Darstellung zu optimieren, da die Integration der Werbung nicht manuell, sondern automatisch erfolgt, sondern auch um die Frage, was überhaupt dargestellt wird. Mit Machine Learning können Algorithmen kontinuierlich sich verändernde Daten überwachen, Muster erkennen und vorhersagen Treffen, welche Produkteoder Dienstleistungen wahrscheinlich am relevantesten für einen Konsumenten sein werden, ohne auch nur eine Ahnung vom realen Leben von Menschen zu besitzen. Dabei geht es auch darum, wie effektiv die jeweilige Produktplatzierung im Kontext des gesehenen Film- und Show-Programms ist, das Entscheidende der richtige emotionale Rahmen für die ideale, vorausschauende Produktplatzierung. Aus Sicht der Werbewirtschaft geht es darum, auf dem höchsten persönlichen Niveau ein individuelles, passendes Angebot zu unterbreiten und keine breit gestreuten, irrelevanten und teuren Massenwerbekampagnen zu finanzieren.

Mit der Technologie der KI-Experten von Mirrad sind solche Szenarien möglich und zu großen Teilen bereits real. Unter anderem das Technologieunternehmen Tencent, das zu den größten Unternehmen der Welt gehört, benötigt diese Möglichkeiten, um die eigene Expansion der Streaming-Plattform zu finanzieren. Tencent ist sowohl in der Entwicklung von digitaler Hardware, Suchmaschinen, Video-Spielen und Unterhaltungsinhalten aktiv. Tencent steht nicht nur hinter dem Messangerdienst WeChat mit mehr als einer Milliarde Kunden, sondern ist auch das weltgrößte Unternehmen für Onlinespiele. Damit ist es eine Art Schmelztiegel für Technologien die sich aus der (Online-)Spielewelt in die klassischen Formate wie Film, Serie und Show hineinentwickeln. Digitales Product-Placement ist nur eine Anwendungsvariante dieser KI-basierten Konzepte. Mirriad ist für die Ziele von Tencent der perfekte Partner und passt in die Europastrategie des Giganten, der sich mehr auf den alten Kontinent konzentrieren will. Der Handelskonflikt zwischen Peking und Washington behindert gerade die Expansion in die USA, da ist Europa das natürliche nächste Ziel.

Bei dieser Kooperation geht es vor allem auch um das sehr strategisch aufgebaute Patentportfolio von Mirriad. Das britische Unternehmen hat am Europäischen Patentamt einige der wirkungsvollsten Patenttypen seines Business Ecosystems erfolgreich etabliert. Die beiden erteilten europäischen Patente:

zeigen, wie konsequent an den zukünftigen Geschäftsmodellen orientiert bei Mirriad gedacht wird, wenn es um IP geht.

Dass nun auch Netflix einen Anbieter von digitalen Product-Placement gesucht hat und mit Triplelift aus den USA fündig geworden ist, wie das Handelsblatt unter dem Titel „Personalisierte Schleichwerbung“ schreibt, zeigt nur, wie grundlegend die Überlegungen zu dieser Art von digitaler Werbung in der Logik von Plattformen geworden sind.

Ein weiterer Fall für die erfolgreiche Anwendung einer IP Strategie im Business EcoSystem kann in der MIPLM Industrie Fallstudie ARRI nachgelesen werden.