Erfahrungsaustausch bei Google: Applied AI und IP für KI-basierte Technologien
Auf Einladung von Dr. Wieland Holfelder, Vice President Engineering und Leiter des deutschen Entwicklungszentrums von Google in München, trafen sich beim Suchmaschinen-Giganten Mitglieder des Dieselkuratoriums und geladene Gäste zum Erfahrungsaustausch bei der industriellen Nutzung von künstlicher Intelligenz. Die Initiative applied AI wurde vorgestellt und in gemeinsamen Workshops wurden Showcases sowie Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren für verschiede Applikationen und Strategien bei Google, Schott, Airbus, WackerNeuson, Schattdecor, Römheld, Wittenstein, Giesecke&Devrient, SATA, ARRI und der Fraunhofer Gesellschaft diskutiert.
Applied AI wurde durch Dr. Andreas Liebl repräsentiert, Managing Director applied AI Institute UnternehmerTUM Projekt GmbH. UnternehmerTUM ist eine Initiative der TU München und Frau Susanne Klatten, Gesellschafterin und Vorsitzende des Aufsichtsrats der UnternehmerTUM für Start-up-Förderung und Innovationsberatung. Die Initiative applied AI ist als Netzwerk seit 2018 aktiv und die größte ihrer Art. Applied AI hilft dabei, KI-Strategien zu entwickeln und in konkrete Geschäftsmodelle zu integrieren, bildet zu KI-basierten Technologien aus und hilft bei der Implementierung von KI-basierten Lösungen.
Die Zusammenfassung der Workshopergebnisse ist in den Folien zum Bericht aus dem Industrierat Wettbewerb von CTO-Herbstforum dargestellt. Die Erfahrungen aus den Projekten der applied AI Initiative wurde auch in den Workshops bei Google bestätigt. Die Fragen, die mittelständische Unternehmen bei der konkreten industriellen Anwendung von KI haben gleichen sich auffallend. Damit sind auch die Ansätze zur Umsetzung von KI-Projekten recht ähnlich und die Unternehmen können aus der Best Practice gegenseitig lernen.
Wie weit KI heute ist, lässt sich zum Beispiel bei Computerspielen zeigen. Als 2016 das KI-System AlphaGo der Google-KI-Schmiede DeepMind im Brettspiel Go gegen jeden Großmeister in erschreckender Geschwindigkeit gewonnen hat war klar, dass eine KI sich dieses Spiel selber beibringen kann. AlphaGo hat ohne Expertenwissen gearbeitet, nur mit den Spielregeln. Aber das war noch ein Brettspiel mit begrenzter Komplexität. Die künstliche Intelligenz AlphaStar, ebenfalls von DeepMind, hat 2019 im Echtzeitstrategiespiel StarCraft II besser als 99,8 Prozent aller menschlichen Gamer gespielt. Bisher waren KI-Systeme aufgrund der hohen Komplexität nicht in der Lage solche Spiele ebenbürtig gegen Menschen zu spielen und mussten wie die menschlichen Mitspieler auch, mit zahlreichen, unvollständigen Informationen spielen. Inzwischen können KI-basierte Systeme sogar kooperative Spielzüge mit anderen KI-Systemen oder Menschen lernen. KI-Systeme können sogar solche Spielzüge vorbereiten. Das Video zeigt ein solches Beispiel mit einem Multi-Agent Versteckspiel, basierend auf der KI von OpenAI. Diese Spielanwendungen werden genutzt, um das Lernverhalten von KI zu studieren und anschließend in die industrielle Anwendung zu bringen.
KI-basierte Fähigkeiten von Maschinen sind: Sehen; Hören; Spracherkennung; Robotik, Vorhersage; Entdeckung; Planung; Suche; Generierung und Gestaltung. So hat es beispielsweise Google geschafft die Kosten für die Kühlung seiner Datenzentren durch den Einsatz der eigenen KI um 40% zu reduzieren. Dazu erfolgte das maschinelle Lernen der KI über zwei Jahre hinweg.
Eine weitere Anwendung von DeepMind ist die Optimierung von Windparks. Mit Hilfe von maschinellem Lernen kann die Leistungsabgabe eines Windparks 36 h im Voraus berechnet werden. Damit kann die Nutzung von erneuerbaren Energien in intelligenten Stromnetzten (Stichwort: Smart Grid), durch vorausschauende Kombination von Erzeugung, Speicherung und Verbrauch optimiert werden. Leistungsschwankungen durch erneuerbare Energien wie der Windenergie sind in den Stromnetzen eine große Herausforderung für die Abstimmung. Durch die KI kann das Lastmanagement deutlich effizienter erreicht werden.
Eine weitere typische KI-Technologie sind erzeugende gegnerische Netzwerke: Generative Adversarial Networks (GAN), die zur Gruppe von Algorithmen des unüberwachten Lernens zählen; man spricht auch von kompetitiven neuronalen Netzwerken. GANs wurden unter anderem zur Erstellung fotorealistischer Bilder entwickelt, zum Beispiel für die Bildbearbeitung astronomischer Bilder oder zur Erstellung von 3D-Modellen von Objekten aus 2D-Bildern.
Beispielsweise können so realistische Straßenszenen synthetisch hergestellt werden. Mit GANs lassen sich, wie im Film gezeigt, realistische menschliche Gesichter aus anderen Gesichtern gestalten, die von realen Personen nicht zu unterscheiden sind; aber KI kann auch Musik komponieren, im Sinne von neu generieren. Und Menschen die nur auf einem Foto oder Bild der KI als Input gegeben werden, kann eine KI sprechen lassen. Das funktioniert sogar dann, wenn nur ein einziges Bild existiert, wie zum Beispiel das berühmteste Bild der Welt, das der Mona Lisa.
Unter dem Konzept KI werden ganz unterschiedliche Technologien, Logiken und Ansätze zusammengefasst. Daher ist mit dem Begriff KI-Technologie kein konkreter Ansatz gemeint, sondern eher das grundlegende Verständnis eines Problemlösungsverhaltens durch ein „intelligentes“ Computersystem. Grundsätzlich steckt heute in fast jeder modernen Software schon KI, auch wenn das für den Anwender nicht unbedingt beobachtbar oder bemerkbar ist. KI findet man heute auch in Küchenmaschinen wie dem Thermomix. Bei der Garguterkennung, um den Heizbereich für hohe Temperaturen zum Rösten von Fleisch freizugeben arbeitet eine KI und diese Applikation ist auch patentiert.
Generell gibt es verschiedene Ansätze, um KI-basierte Technologien und deren Anwendung zu patentieren. Um diese Ansätze zu unterscheiden, muss man verstehen, wie KI grundsätzlich funktioniert und wo der Unterschied zu klassischer Softwaretechnologie liegt. In beiden Fällen beginnt die Softwareentwicklung mit der Problemanalyse. Danach wird in der traditionellen Softwareentwicklung ein Satz von Regeln zur Lösung des Problems entwickelt und anschließend findet die Implementierung, also die Programmierung und softwareseitige Umsetzung statt, basierend auf den festgelegten Regeln.
Bei KI-basierter Softwaretechnologie ist der Vorgang grundlegend anders. Nach der Problemanalyse müssen Daten gesucht und gesammelt werden, um ein KI-System anzulernen. Darin liegt schon ein wesentlicher – gegebenenfalls erfinderischer – Schritt. Welche Daten werden benötigt, um ein spezifisches Problem zu lösen? Auch muss die Frage beantwortet werden, wie man die entsprechenden Daten gegebenenfalls generieren kann und aufbereiten, zum Beispiel parametrisieren muss. Als nächstes erfolgt die Definition der neuronalen Netzwerkarchitektur und die Anwendung von Algorithmen zum maschinellen Lernen. Dabei kommt es darauf an, die richtigen Daten zu finden und das richtige Lernsystem zur Problemlösung zu finden. Diese Implementierung ist alles andere als trivial. Die „fertige“ KI-Lösung ist also in der Regel eine hochspezifische und häufig keineswegs naheliegende technische Lösung des ursprünglichen Problems. Solche Systeme zu bauen und die passenden Komponenten auszuwählen ist Expertenarbeit und es ist nicht sicher, ob ein konkreter Anwendungsfall auch wirklich mit KI zu meistern ist, das scheitert in der Regel an den verfügbaren bzw. nicht verfügbaren Trainingsdaten.
Nach einer aktuellen Studie der WIPO erleben die Patentanmeldungen zu KI-basierten Technologien in den letzten Jahren einen regelrechten Boom, nachdem schon jahrzehntelang an diesen Konzepten gearbeitet wurde. Die Verfügbarkeit von maschinenlesbaren Daten, die dramatisch zunehmende Vernetztheit zur Beschaffung und Auswertung der Daten und die stark zunehmende, verfügbare Rechenleistung insbesondere in der Cloud sind die wesentlichen Triebkräfte hinter dieser Patententwicklung. Die aktuellen Ergebnisse zur Patentierung von KI am Graduiertenkolleg der Dieselmedaille wurden auf dem Graduiertenkolloquium bei FESTO vorgestellt um im Tätigkeitsbericht veröffentlicht.
KI-Technologien sind schon heute so mächtig, dass auch gesellschaftliche Probleme analog zu betrieblichen Herausforderungen entstehen. Angenommen eine KI kann mit einer 80 prozentigen Wahrscheinlichkeit einen Maschinenausfall vorhersagen. Wäre das dem Kunden genug, um das detektierte Getriebe auszutauschen? Welcher Fabrikleiter will verantwortlich gemacht werden, wenn die Maschinensteuerung von einer KI übernommen wird, deren Entscheidungen nicht nachvollzogen werden können? Im abschließenden Film wird gezeigt, wie eine Rede des ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten so gut mit KI gefälscht wurde, dass ein Mensch den Unterschied zum Original nicht erkennen kann.
Der Erfahrungsaustausch war eine gute Gelegenheit das komplexe Wechselspiel von KI-Technologien, digitalen Geschäftsmodellen und dem IP-Schutz digitaler Objekte wie Apps, Business Cases und Positionen in Business Eco-Systemen zu beleuchten und sich über die konkreten industriellen Applikationen im Erfolgs- und Misserfolgsfall auszutauschen. So sahen es die Teilnehmer:
„Wir alle wissen, welch wichtige Rolle KI in den kommenden Jahren in unseren Unternehmen an vielen verschiedenen Stellen spielen wird. Jetzt kommt es darauf an, die ersten Ideen und Prototypen von KI-basierten Lösungen in konkrete Anwendungsfälle mit Nutzen und in die Fläche zu überführen. Dazu haben der Workshop und der Austausch wertvolle Hinweise und gute Ansätze geliefert.“
Dr. Heinz Kaiser, Member of the Management Board, SCHOTT AG
„Ein sehr spannender Vortrag von Hrn. Dr. Liebl zum Thema AI mit einem ganzheitlichen Überblick zum aktuellen Stand, möglichen Zukunftsszenarien, Chancen und Herausforderungen. Ich habe für mich und unser Unternehmen viele wertvolle Anregungen und Informationen mitgenommen.“
Martin Lehner, CEO Vorstandsvorsitzender, Wacker Neuson Group