Am 25. & 26. Oktober trafen sich über 70 Vorstände und Geschäftsführer großer mittelständischer Technologieunternehmen zum CTO-Herbstforum 2019 bei der Balluff GmbH  in Neuhausen a.d.F. Unter dem Motto: „Herkunft braucht Zukunft – Digitale Geschäftsmodelle in traditionellen Industrien“ wurde in den anderthalb Tagen darüber diskutiert, wie die deutschen Mittelständler, seit Jahrzehnten der Industrieausrüster der Welt, ihre Erfolge in der Zukunft, geprägt von digitalen Geschäftsmodellen, datengetriebenen Eco-Systemen und KI-Anwendungen gestalten wollen.

Florian Hermle, Geschäftsführer des Sensorik-Spezialisten Balluff, und Michael Unger, Mitglied der Geschäftsführung der Balluff GmbH, waren Gastgeber der Veranstaltung.

Das CTO-Forum steht als Veranstaltungsreihe des Dieselkuratoriums, dem Wahlgremium zu ältesten Deutschen Innovationspreis, der Dieselmedaille, unter dem Motto: „Der CTO verantwortet die technische Vision des Unternehmens“. Um die aktuellen Herausforderungen der CTOs branchenübergreifend zu diskutieren, Erfahrungen auszutauschen, sich persönlich besser zu vernetzen und Lösungsansätze von Experten zu evaluieren, laden die Mitglieder des Dieselkuratoriums Kollegen zum CTO-Forum am Deutschen Institut für Erfindungswesen e.V. (D.I.E. e.V.) zweimal im Jahr ein.

 

Prof. Dr. Alexander J. Wurzer, Sprecher des Dieselkuratoriums, schrieb in der Dossier-Einführung zur Veranstaltung: Plattformen und digitale Geschäftsmodelle sind in aller Munde und wir alle sind in unserem täglichen Leben davon betroffen. Wir haben erlebt wie YouTube, Uber und Airbnb ganze Industrien disruptiert haben – jedenfalls dabei sind, und allein das Ansinnen ist beachtenswert. Wer hätte sich in der „vor-digitalen“- Zeit erlaubt, die Medienwirtschaft, das Transportgewerbe oder die Hotellerie als Ganzes anzugreifen – mit echten Chancen auf den Sieg und zumindest auf den Systemumsturz? Genau das ist hier der Punkt. Es geht nicht um einzelne Betriebe, um eine spezielle Kette oder eine ausgesuchte Region. Wenn die Digitalisierung zuschlägt dann immer gleich in einer ganzen Industrie – das ist in seiner Dimension und Durchschlagskraft

durchaus neu. Seit über zwei Jahren führe ich Industrieratsgespräche mit Technologievorständen der produzierenden Industrie in der DACH-Region. Wir sprechen über die digitale Transformation und deren Bedeutung für die Unternehmen sowie die Reaktion der Unternehmen auf diese Entwicklungen und vor allem über die damit verbundene Herausforderung für den CTO. Erst war es Ablehnung: „das ist eigentlich nichts Neues – mechatronische Systeme machen wir schon lange“, dann war es Akzeptanz mit Distanz: „ja das ist vom Charakter her neu, aber es hat nichts mit uns zu tun“ und jetzt ist es eine wirkliche Herausforderung: „wir suchen unsere Stelle im neuen Business-Eco-System“. Das wird natürlich nicht so verbalisiert, aber so ist es gemeint. Wenn mehr oder weniger plötzlich eine Datenplattform das eigene Eco-System beherrscht, oder dabei ist die dominante Rolle einzunehmen, dann hat man kaum noch Handlungsoptionen, man muss sich und sein Geschäftsmodell einsortieren in die neue Business-Logik.  

 

Wie Zukunft und Herkunft der digitalen Transformation in traditionellen Industrien zusammenpassen (müssen)

Das Herbstforum 2019 begann am 25. Oktober mit dem Dinner des mit dem Dinner des Dieselkuratoriums mit geladenen Gästen des CTO-Forums in Stuttgart auf Schloss Hohenheim. Die eröffnenden Begrüßungsworte sprach Dr. Markus Kirchler, Partner und Board Member der MHP Management- und IT-Beratung  GmbH und Fachbeirat des Dieselkuratoriums und Gastgeber des Abends Dr. Frank Possel-Dölken, Vice President des Bereichs Corporate Technology and Value Chain der PHOENIX CONTACT GmbH & Co. KG, hielt eine Dinner-Speech darüber, wie Zukunft und Herkunft bei der digitalen Transformation in traditionellen Industrien zusammenpassen (müssen).

Am Beispiel der Fa. PHOENIX CONTACT GmbH & Co. KG erläuterte Dr. Possel-Dölken, welche Chancen und Risiken die Möglichkeiten digitaler Technologien für etablierte Unternehmen im B2B Umfeld bedeuten. Welche Art von Chancen ergeben sich? Welche bestehenden Geschäftsmodelle lassen sich durch „digitale Ergänzungen“ systematisch und profitabel weiterentwickeln? Welche neuen Geschäftschancen bieten sich in etablierten globalen Kundenmärkten? Und wie organisiert man diese „digitale Transformation“ im Unternehmen. Anhand konkreter Beispiele erläuterte der Beitrag die Vorgehensweise und Strategie der Phoenix Contact Gruppe und die gemachten Erfahrungen. Dabei wurden Beispiele im Umfeld des Leistungsportfolios des Unternehmens zum Markt genauso erläutert wie Beispiele aus der Digitalisierung interner Geschäftsprozesse. Die genannten Chancen bringen viele Risiken mit sich. Insbesondere Investitionen in IT-Systeme und -technologien sind häufig mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Ist der technologische Reifegrad gegeben? Besitzen die Anbieter das benötigte Know-how? Welche Risiken ergeben sich aus einer systematischen Vernetzung von Informationssystemen für die Wandlungsfähigkeit der Organisation? Wie weit sind Vision und Realität in Einklang zu bringen oder werden wir nach einem Traum der digitalen Transformation ein böses Erwachen erleben? Diese Fragen der „anderen Seite der Digitalisierung“ wurden ebenfalls anhand konkreter Erfahrungen aus Projekten innerhalb der Phoenix Contact Gruppe erläutert.

Bevor Dr. Frank Possel-Dölken 2008 als Leiter Innovationsmanagement Produktion zur PHOENIX CONTACT GmbH & Co. KG in Blomberg wechselte, wo er heute den Bereich Corporate Technology and Value Chain als Vice President verantwortet, arbeitete er an der RWTH Aachen als Vollzeitwissenschaftler im Werkzeugmaschinenlabor WZL, übernahm die Leitung der WZL-Abteilung „Automatisierung & Steuerung“ und wurde Geschäftsführer des deutschen Exzellenzclusters „Integrative Produktionstechnologie für Hochlohnländer“.

 

Umdasch Group Ventures: Strategie, Bauprozess, Digitalisierung – Wiederspruch oder logische Zeitenwende?

Unter diesem Titel eröffnete Werner H. Bittner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Umdasch Group Ventures GmbH, die Vortragsbühne am 25. Oktober bei Balluff.

Technologien entwickeln sich immer schneller weiter, befruchten sich gegenseitig, und legen dadurch nochmals an Geschwindigkeit zu. Branchen lösen sich schrittweise auf, Megatrends prägen bereits die nächste und nahe Zukunft. Der Wettbewerb von morgen kommt immer öfter nicht mehr aus der angestammten Branche, die man bisher im Auge hatte. Nicht jeder hat das auf dem Radar. Zahlreiche Studien besagen, dass seit 1994 die Produktivitätsentwicklung in den klassischen Produktionsindustrien und dem Bau zunehmend auseinanderklaffen. Nach Bittner lässt sich das im Wesentlichen auf vier „Überschriften“ zurückführen: Standardisierung, Industrialisierung, Automatisierung und Digitalisierung auf der einen Seite bzw. den Mangel daran auf der anderen Seite. Es scheint daher eine naheliegende These zu sein, dass diese vier Themenbereiche massiv verstärkt auch in Bauprozesse Eingang finden müssen, damit die Aufholjagd in der Produktivität im Bau stattfinden kann.

Die Struktur hat der Strategie zu folgen, sagt man. Eines von vielen Beispielen dafür erläuterte Werner H. Bittner anhand der jüngeren Struktur der österreichischen Umdasch Group AG.

 

Werner H. Bittner trat 2016 in die Umdasch-Gruppe ein, wo er Vorsitzender der Geschäftsführung der Umdasch Group Ventures GmbH ist, welche sich ausschließlich der Entwicklung neuartiger Geschäftsfelder widmet.

 

Die MHP und der DTS-Workshop

Während das Dieselkuratorium seine Aussprachesitzung zur Ernennung der Dieselmedaillenträger 2020 hielt nahmen die weiteren Gäste am Workshop zur Digital Transformation Simulation (DTS), geleitet von MHP, teil. Eine Simulation, um Raum für den Dialog zu schaffen, Ideen zu produzieren, Know-how auszutauschen, Zusammenarbeit zu gestalten und Veränderungen zu initiieren durch eine Zeitreise in 130 Jahre Organisationsentwicklung. Es ist ein Format zum Austausch und zur Beteiligung am Wandel. Durchleben von vier Zyklen der Transformation mit greifbaren Erfahrungen. Jede dieser Runden besteht aus vier Phasen: Erfahrung, Austausch, Reflexion und Debriefing. Der Fokus der DTS betrachtet die Systemtheorie und das Verhalten sozialer Systeme in einer zunehmend komplexen Umgebung. Dies ermöglicht den Teilnehmern, ihre Organisation aus einer Metaperspektive zu betrachten. Damit schafft die DTS ein Verständnis wie Sie die Komplexität Ihrer Umgebung nutzen können, um den Marktdruck auf Wettbewerber zu erhöhen – oder sogar neue Märkte zu erschließen. Die Volkswagen AG nutzt dieses Formats, um ihre Mitarbeiter und externe Partner zur gemeinsamen Gestaltung des Wandels einzuladen. Es haben bis heute über 2500 Personen hieran teilgenommen. In der Universität St. Gallen und der IMD Business School wird es mit EMBA Teilnehmern durchgeführt. Die MHP unterstützt sowohl die inhaltliche Entwicklung sowie die weltweite Umsetzung. Mit viel Fingerspitzengefühl wurde hier nach konkreter Anleitung ein Auto nach dem anderen produziert.

 

Workshop-Moderator Martin Akar, seit 7 Jahren als Berater tätig und seit 3 Jahren bei der MHP, lernte und erlebte im Laufe seines Werdegangs, wie wichtig nicht allein die technische und methodische Veränderung ist, um erfolgreich zu sein – sondern, dass ganze Organisationen zu entwickeln sind. Seit 2,5 Jahren begleitet er die Volkswagen AG im Rahmen der Digitalisierungsoffensive, im Wechsel vom Automobilhersteller zum Softwareunternehmen.

Hierbei unterstütze er Workshop-Co-Moderator Falk Bothe, der seit 18 Jahren bei der Volkswagen AG arbeitet und mit seinem Team das Executive Leadership Development verantwortet mit dem Ziel, die Führungskräfte fit für eine Welt der zunehmenden Komplexität zu machen. In seinem Auftrag wurde die DTS entwickelt und weltweit bei Volkswagen durchgeführt.

 

 

 

 

Balluff lädt zum Walk of Automation ein

Nach dem Workshop wurden alle Gäste vom Gastgeber Balluff zum Walk of Automation eingeladen, welcher Teil von Balluffs weltweitem Programm „Lean & Digital Transformation“ ist. Dieses Programm hat das Ziel, die Lean-Philosophie in einem ganzheitlichen, globalen Ansatz im Unternehmen zu verankern und mit Maßnahmen zur Digitalisierung und Automatisierung noch weiter zu verbessern. Konkret bedeutet das für die Balluff GmbH, dass sie als Automatisierungsspezialist natürlich zeigen möchte, dass ihr eigenes globales Produktions- und Logistiknetzwerk dem neusten Stand der Technik entspricht. Den begeisterten Teilnehmern wurde deshalb im Rahmen des Walk of Automation in verschiedenen Use Cases aufgezeigt, mit welchen Lösungen Balluff das Potenzial einer intelligenten Produktion ausschöpfen. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit der Supply Chain nachhaltig zu verbessern und die eigene Fertigung zur Smart Factory weiterzuentwickeln.

 

 

 

 

 

CLAAS und die Entwicklung einer digitalen Plattform

Wie geht der traditionelle Premiumhersteller CLAAS mit der Bedrohung seines Kerngeschäftes um? Verschieben sich Teile der Wertschöpfung von der Herstellung zur Anwendungsphase? Welche Relevanz spielt CLAAS morgen beim Kunden mit bisherigen Geschäftsmodellen? Der Wechsel des Blickwinkels vom Produkt zum Kunden resultiert in neuen digitalen Geschäftsmodellen und customer insights: 365FarmNet, eine IoX Plattform als SaaS im B2B. Der Kunde ist der Landwirtschaftliche Produktionsbetrieb, der durch 365FarmNet seine Prozesse mit nur einer einzigen Software planen, steuern, überwachen, analysieren und optimieren kann – von der Erfüllung von gesetzlichen Auflagen bis hin zum Decision Support.

Die offene Plattform erlaubt anderen an der Wertschöpfungskette des Kunden beteiligten Marktteilnehmern ihre digitalen Services integriert bereitzustellen. Dadurch entsteht ein umfassendes Lösungsökosystem mit einer großen fachlichen Abdeckung. Welche Herausforderungen stellen sich bei Konzeption, Umsetzung und Vermarktung?

 

Einen Vortrag darüber hielt Maximilian von Löbbecke, Geschäftsführer der 365FarmNet Group KgaA mbH & Co KG. Seit 2013 verantwortet er den Aufbau un d die Geschäftsführung der 365FarmNet Group KgaA mbH & Co KG. Nach dem Studium Maschinenbau und Medizintechnik stieg er mit einem Trainee- Programm bei der FIAT Group ein. In den Konzernsparten FIAT Auto, Iveco und CNH übernahm er internationale Führungsaufgaben in den Bereichen Entwicklung, Produktion, Sales & Marketing. Von Löbbecke befasst sich seit über zehn Jahren mit digitalen Themen und gilt als anerkannter Experte für das Spannungsfeld zwischen den Ökosystemen von klassischen Industrieunternehmen und agilen Start-ups.

 

Der Industrierat berichtet

Die Industrieräte des Dieselkuratoriums berichteten aus den stattgefundenen Erfahrungsaustauschen.

Dr. Andreas Liebl, Geschäftsführer der UnternehmerTUM GmbH, unter anderem für die appliedAI-Initiative mit Partnern wie Google und NVIDIA zuständig, berichtete von dem kürzlich bei zur industriellen Anwendung von künstlicher Intelligenz und des zugehörigen IP-Schutz bei Google stattgefundenen Erfahrungsaustausch.

Prof. Dr. Gunther Herr, Ressortleiter des Industrierats Zukunft, stellte Vertiefungen des Positionspapiers zur digitalen Unternehmenstransformation vor. Über die neue Rolle des CTOs und die Ergebnisse aus dem hierzu kürzlich stattgefundenen Erfahrungsaustausch bei Wacker Neusson, berichtete Dr. Dirk Artelt, Ressortleiter Industrierat Strategie & Organisation.

 

Abschließend gab es einen aktuellen Bericht aus der Zukunftswerkstatt des Dieselkuratoriums  zum Status Quo der Initiativen für das Dieselkuratorium und die Plattform Dieselmedaille Zukunftsidee.

Die Dieselmedaille für die beste Zukunftsidee ist die fünfte Dieselmedaille, die ganz speziell für High Potentials, Absolventen, Doktoranten und Studenten entwickelt wurde. Bei dem Wettbewerb um die Dieselmedaille für die beste Zukunftsidee vor allem um die Verknüpfung von den Unternehmen mit führenden Technologien, den CTOs und den Bewerbern. Mit dem Zukunftspreis sollen erstmals aktuelle Ideen von talentierten Nachwuchskräften ausgezeichnet werden. Teilnehmen können junge Technikbegeisterte zwischen 18 und einschließlich 35 Jahren. Die Teilnehmer können aktuelle Aufgabenstellungen deutscher mittelständischer Unternehmen bearbeiten und ihre Ideen und Lösungsvorschläge einreichen. Der Zukunftspreis ermöglicht einen direkten Kontakt zwischen motivierten Bewerbern und den Industrieunternehmen. Der Wettbewerb fördert somit nicht nur die Innovation im deutschen Mittelstand, sondern erleichtert auch die Kontaktaufnahme zwischen den Unternehmen und Bewerbern in Bezug auf eine zukünftige Anstellung oder Zusammenarbeit.

Das Social-Media- und Kommunikationsteam um Markus Römer, erläuterte den Gästen in welchen Phasen der Wettbewerb abläuft und wie insbesondere junge Menschen die verschiedenen Stakeholder der Dieselmedaille kennenlernen. Auch mit welchen Zielen, Zielgruppen, Definitionen und welcher Auswahl an Kanälen gearbeitet wird. Das Team plant Plankampagnen, setzt KPIs, Messbare Kennzahlen, Reichweiten, Klickraten, auch innerhalb der Gruppen ein. Interessant ist hier beispielsweise auch interessant, wie viele weibliche Kandidaten auf die Kampagnen reagieren.

Die Plattform selbst, deren Entstehung und ihren aktuellen Stand stellte anschließend Sascha Sauer, Founder & Managing Director von diva-e Platforms, vor.

 

 

Beim gemeinsamen Ausklang an diesem Abschlusstag des CTO-Herbstforums 2019 fand noch ein reger Austausch unter den Teilnehmern statt. Es war das 8. CTO-Forum des Dieselkuratoriums und der allgemeine Tenor lobte eine sehr gelungene und wohl organisierte Veranstaltung, ein besonderes Ereignis mit wertvollen Beiträgen. Am inspirierenden war wie immer, der Austausch mit den Kollegen, so heißt es unter der stets wachsenden Teilnehmerzahl.

Das nächste CTO-Frühjahrsforum findet am 2. & 3. April bei den Gastgebern Google Germany und Siemens in München statt. Im Anschluss werden die Dieselmedaillen 2020 im Audimax der Technischen Universität verliehen.

 

Impressionen vom CTO-Frühjahrsforum bei Google, Microsoft und ARRI in München, erhalten Sie hier: